Freudenberger, Till:
Mechanistische Untersuchungen zum Einfluss von Estrogenen und Gestagenen auf die Atherothrombose
Duisburg, Essen, 2010
2010dissertation
BiologyFaculty of Biology
Title:
Mechanistische Untersuchungen zum Einfluss von Estrogenen und Gestagenen auf die Atherothrombose
Author:
Freudenberger, Till
Thesis advisor:
Fischer, Jens W.
Place of publication:
Duisburg, Essen
Year of publication:
2010
Extent:
XIII, 194 S.
DuEPublico 1 ID
Library shelfmark:
Note:
Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2010

Abstract:

Eine postmenopausale Hormon-Ersatztherapie (HRT) mit Estrogenen alleine oder in Kombination mit Gestagenen wurde lange Zeit eingesetzt, um typische Wechseljahresbeschwerden wie z.B. Hitzewallungen zu bessern. Außerdem wurde sie bei postmenopausaler Osteoporose zum Erhalt der Knochendichte eingesetzt. Gleichzeitig ging man davon aus, dass die aus den genannten Indikationen behandelten Frauen ein geringeres kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zu nicht mit Estrogen/Gestagen behandelten Frauen aufweisen würden. Ende 2002 ist dieses Konzept jedoch in Frage gestellt worden, weil zu jenem Zeitpunkt mit der „World Health Initiative“-Studie eine der größten randomisierten, plazebokontrollierten Studien zu diesem Thema abgebrochen werden musste. Die erhofften positiven, kardiovaskulären Effekte der HRT konnten nicht verifiziert werden. Im Gegenteil, in der Gruppe der Frauen, die eine HRT erhielten, zeigte sich sogar eine erhöhte Inzidenz für Schlaganfall und Myokardinfarkt. Daher sind neue tierexperimentelle Untersuchungen und Modelle erforderlich, um die molekularen Mechanismen, über die Estrogene und Gestagene die Pathophysiologie der Atherosklerose und nachfolgend das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen modulieren, zu analysieren. Ziel der Doktorarbeit war es, erstmals ein Mausmodell zu etablieren, mit dem die in der Humanmedizin beobachteten negativen Effekte einer HRT nachgestellt werden können. Diese Zielvorstellung wurde durch bilaterale Ovariektomie (OVX) von Apolipoprotein E (ApoE)-defizienten Mäusen und nachfolgende Hormonsubstitution mit Plazebo und 17-β-Estradiol (E2, 1.1 µg/Tag) erreicht: Die Besonderheit dieses Modells liegt – im Vergleich zu allen bislang verwendeten Tiermodellen zur Untersuchung der Effekte von E2 auf das Herzkreislaufsystem – in der Kombination aus einem langen Applikationszeitraum von 90 Tagen, der Fütterung einer stark atherogenen Diät und der Substitution von E2 in physiologischen Dosierungen. Das Ausmaß der Atherosklerose in Gesamtaorten-en-face-Präparationen, sowie die Plaqueflächen im Aortenursprung waren bei Tieren, die nach OVX mit 1,1 µg E2/Tag substituiert worden sind, signifikant erhöht. Gestützt wurde dieser pro-atherosklerotische Effekt von E2 durch die beobachtete reduzierte Atherosklerose nach OVX im Vergleich mit nicht ovariektomierten Kontrolltieren. Der pro-atherosklerotische Effekt physiologischer E2-Spiegel könnte mechanistisch in Zusammenhang mit einer verschlechterten Endothelfunktion stehen, da die Analyse der Vasorelaxation thorakaler Aortenringe in Organbadversuchen bei OVX-Tieren eine signifikant verbesserte Acetylcholin (ACh)-induzierte Relaxation zeigte, die durch E2-Substitution wieder verschlechtert wurde. Die Thromboseneigung wurde in dem Modell weder durch OVX noch durch E2 beeinflusst. Das etablierte Mausmodell wurde anschließend verwendet, um die Effekte einer Substitution eines Gestagens alleine oder in Kombination mit E2 hinsichtlich ihrer Effekte auf die Atherothrombose zu untersuchen. In Anlehung an die WHI-Studie wurde als Gestagenkomponente Medroxyprogesteronacetat, MPA, (27,7 µg/Tag) gewählt und nach OVX alleine oder in Kombination mit 1,1 µg E2/Tag substituiert. In Mäusen, die mit MPA alleine oder der Kombination aus E2 und MPA behandelt wurden, zeigte sich im Modell der photochemisch induzierten Thrombose ein erhöhtes thrombotisches Potential. Der prothrombotische Effekt von MPA liegt vermutlich an einer gesteigerten maximalen Thrombingenerierung, der der Kombination aus Estradiol und MPA vermutlich an einem Remodelling atherosklerotischer Plaques: Kombiniert substituierte Tiere zeigten eine massive Hyaluronsäureakkumulation sowie eine starke Reduktion des Gehalts glatter Muskelzellen in der fibrotischen Kappe der atherosklerotischen Plaques. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass der Gehalt glatter Muskelzellen durch OVX gesteigert und durch E2-Substitution wieder partiell reduziert wurde. Das migratorische und proliferative Verhalten von glatten Gefäßmuskelzellen hängt u.a. von der Extrazellulärmatrix ab, einem für die Pathogenese und die klinische Symptomatik der Atherosklerose essentiellen Faktor. Das Matrixmolekül „Hyaluronsäure“ wird durch atherogene Mitogene wie PDGF-BB induziert und trägt über die Ausbildung hyaluronsäurereicher Matrizes zum proproliferativen und promigratorischen Phänotyp glatter Muskelzellen bei. In in vitro Versuchen an humanen, glatten Gefäßmuskelzellen konnte gezeigt werden, dass Estradiol die Synthese von Hyaluronsäure durch Hemmung der mRNA Expression von HAS1 hemmt. Da in silico mehrere estrogenresponsive Elemente (ERE) in der Promotorregion des HAS1-Gens gefunden wurden, stellt HAS1 sehr wahrscheinlich ein direkt transkriptionell von E2 reguliertes Gen dar. In der Folge konnte durch lentivirale Überexpression von HAS1 gezeigt werden, dass HAS1 essentiell für die ERK-Phosphorylierung und die Proliferation von humanen glatten Gefäßmuskelzellen ist. Falls die estrogenvermittelte Hemmung der Hyaluronsäuresynthese auch in vivo zum Tragen kommt, ist sie wahrscheinlich den atheroprotektiven Effekten des Estradiols zuzuordnen, die bei Frauen vor der Menopause und vor der Entwicklung einer starken Atherosklerose vermutet werden. In dem hier etablierten Tiermodel war keine Inhibition der Hyaluronsäureakkumulation in den atherosklerotischen Plaques nachzuweisen. In der vorliegenden Arbeit wurde ein Mausmodell etabliert, das zum ersten Mal erlaubt, pro-atherosklerotische Effekte von physiologischen Estradioldosierungen darzustellen und das darüber hinaus insbesondere geeignet erscheint, anti-atherosklerotische Effekte des MPA von seinen pro-thrombotischen Effekten abzugrenzen und mechanistisch zu untersuchen. Außerdem steht ein Modell zur Verfügung, an dem das thrombotische Potential anderer Gestagene mit von MPA verschiedenen Rezeptorpartialwirkungen evaluiert werden kann.