Unger, Miriam:
Infrarot-spektroskopische Untersuchungen zur Charakterisierung der thermischen und mechanischen Eigenschaften biologisch abbaubarer Polymere
Duisburg, Essen, 2009
2009Dissertation
ChemieFakultät für Chemie
Titel:
Infrarot-spektroskopische Untersuchungen zur Charakterisierung der thermischen und mechanischen Eigenschaften biologisch abbaubarer Polymere
Autor*in:
Unger, MiriamUDE
LSF ID
50732
Sonstiges
der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Akademische Betreuung:
Siesler, Heinz Wilhelm
Erscheinungsort:
Duisburg, Essen
Erscheinungsjahr:
2009
Umfang:
V, 176 Bl.
DuEPublico 1 ID
Signatur der UB:
Notiz:
Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2009

Abstract:

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden zur Charakterisierung mechanischer, thermischer und struktureller Eigenschaften von biologisch abbaubaren Polymeren verschiedene Kombinationstechniken der FT-IR Spektroskopie angewendet. Die in der Arbeit untersuchten Polymere gehören zur Stoffklasse der Polyhydroxyalkanoate (PHAs), die von Bakterien durch Fermentation synthetisiert werden. Als Vertreter dieser Klasse wurde das Poly(3-hydroxybutyrat) (PHB) Homopolymer und eine Vielzahl seiner Copolymere untersucht. Zudem wurden in dieser Arbeit die Eigenschaften von Poly(-caprolacton) (PCL), einem konventionellen, aber auch biologisch abbaubaren Polymer, untersucht. Des Weiteren wurden PHB/PCL Polymermischungen FT-IR spektroskopisch analysiert. Mittels rheo-optischer FT-IR spektroskopischer Messungen wurden neben den mechanischen Eigenschaften auch durch die gleichzeitige Aufnahme von FT-IR Spektren mit linear polarisierter Strahlung molekulare Orientierungseffekte bzw. Vorzugsorientierungen der Polymerketten im Zuge der Dehnung untersucht. Für PHB konnten aufgrund geringer mechanischer Beanspruchung (etwa 10 % Dehnung) keine Orientierungseffekte charakteristischer Molekülgruppen nachgewiesen werden. Die Untersuchungen der Copolymere von PHB mit PHV, PHO bzw. P6HHx haben gezeigt, dass die mechanischen Eigenschaften mit erhöhten Anteilen der entsprechenden Copolymerkomponente verbessert werden. Dies ist im Wesentlichen auf die geringere Kristallinität der Copolymere als Folge der längeren Seitenkette im Vergleich zum PHB zurückzuführen. Weiterhin wurde herausgefunden, dass das Copolymer P(HB-co-6HHx) (P6HHx=11,1 mol%) die besten mechanischen Eigenschaften hat; es kann bis 90 % Dehnung verstreckt werden. Die Charakterisierung der Orientierungseffekte „kristalliner“ und „amorpher“ Bereiche der P(HB-co-HV) und P(HB-co-6HHx) Copolymere haben ergeben, dass sich die kristallinen Bereiche der Copolymere stärker als die amorphen Domänen orientieren. Weiterhin haben Untersuchungen des P(HB-co-HO) (PHO=17 mol%) Copolymeres gezeigt, dass es bei kleinen Elongationen zu einer negativen Orientierung der kristallinen Domänen kommt. Dieser Orientierungseffekt kommt dadurch zustande, dass die Längsachsen der lamellaren PHB Bereiche durch die aufgrund der längeren Seitenketten weniger geordneten PHO Segmente in Dehnungsrichtung orientiert werden. Im Gegensatz zu den Polyhydroxyalkanoaten zeigt das PCL Homopolymer deutlich bessere mechanische Eigenschaften; so kann es unter mechanischer Beanspruchung bis etwa 285 % Dehnung verstreckt werden. Zur Verdeutlichung der dichroitischen Effekte im Zuge der Dehnung wurden die Orientierungsfunktionen für die kristallin- und amorph-spezifischen Teilflächen der (CH2) Absorptionsbande bestimmt. Dabei wurde auch hier eine ausgeprägte Orientierung der kristallinen Bereiche im Vergleich zu den amorphen Domänen gefunden. Bei den rheo-optischen FT-IR spektroskopischen Untersuchungen einer PHB/PCL (20/80 wt.%) Polymermischung wurden zur Charakterisierung der Orientierung der PHB- und PCL-Ketten im Zuge der Dehnung die PHB- bzw. PCL-spezifischen (CH2) Absorptionsbanden ausgewählt. Basierend auf den Orientierungsfunktionen wurde während der Dehnung eine gegenläufige Orientierung der beiden Polymere beobachtet. So wurde festgestellt, dass sich die teilkristallinen PCL-Polymerketten in Streckrichtung orientieren, wohingegen sich die PHB-Polymerketten bevorzugt senkrecht dazu ausrichten. Zusätzliche Informationen konnten durch Anwendung der 2D Korrelationsspektroskopie gewonnen werden. So separiert die 2DCOS Analyse die PHB- und PCL-spezifischen (CH2) Absorptionsbanden in kristalline und amorphe Beiträge, mit Hilfe derer die Vorzugsorientierungen in diesen Domänen bei mechanischer Beanspruchung detaillierter charakterisiert wurden. Durch Anwendung der FT-IR Spektroskopie in variablen Temperaturmessungen konnten Aussagen über die Änderung der Ordnungszustände der Polymere im Zuge von Aufheiz- und Abkühlvorgängen gemacht werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die strukturellen Änderungen von getempertem und nicht getempertem PHB im Temperaturbereich von 30-200 °C FT-IR spektroskopisch untersucht und durch Anwendung der 2D und PCMW2D Korrelationsspektroskopie analysiert. Im Unterscheid zum getemperten PHB wurde beim nicht getemperten PHB eine Rekristallisation im Temperaturbereich von 30-120 °C festgestellt. Zudem wurde für beide Polymere eine Schmelztemperatur von 180 °C beobachtet. Außerdem konnten mittels der FT-IR 2D Korrelationsspektroskopie jeweils zwei spezifische (C=O) Absorptionsbanden für unterschiedliche Ordnungszustände der kristallinen und amorphen Regionen identifiziert werden. Weiterhin wurde mittels der FT-IR 2D Korrelationsspektroskopie die Ablauffolge der Intensitätsänderungen der kristallin- und amorph-spezifischen (C=O) Banden im Zuge des Heizprozesses bestimmt. Für die temperaturabhängige Untersuchung (30-72 °C) von PCL wurde zur Charakterisierung der strukturellen Änderungen die (C=O) Absorptionsbande herangezogen. Basierend auf der FT-IR Korrelationsspektroskopie (2DCOS und PCMW2D) wurde während der Temperaturerhöhung nur eine kristalline und eine amorphe (C=O) Bande nachgewiesen. Darüber hinaus wurde die ungewöhnliche Beobachtung gemacht, dass die amorphen Domänen im Vergleich zu den kristallinen Bereichen etwas früher auf den Schmelzprozess reagieren. Dieses Phänomen lässt sich im Wesentlichen dadurch erklären, dass noch kleine, leicht geordnete Bereiche im amorphen Zustand existieren, die vor den kristallinen Bereichen schmelzen. Für die temperaturabhängigen FT-IR spektroskopischen Messungen einer PHB/PCL (50/50 wt.%) Polymermischung wurden mittels einer PCMW2D Analyse während des Aufheizvorganges drei Prozesse (Schmelzvorgang von PCL, Rekristallisation von PHB und Schmelzprozess von PHB) differenziert. Dabei wurde im Temperaturbereich von 30-70 °C herausgefunden, dass der Schmelzvorgang des PCL von den strukturellen Änderungen während der Rekristallisation des PHB überlagert wird. Zudem wurde mit der 2D Korrelationsspektroskopie festgestellt, dass die amorphen Bereiche des PHB rekristallisieren bevor die kristallinen Domänen des PCL zu schmelzen beginnen. Für den Temperaturbereich von 70-120 °C wurde gefunden, dass der Rekristallisationsprozess des PHB dominiert. Der Schmelzprozess der PHB-Komponente im Polymerblend wurde im Temperaturbereich von 120-200 °C beobachtet. Die temperaturabhängigen Messungen der Copolymere auf Basis des PHB haben gezeigt, dass sich die FT-IR Spektren sehr ähnlich sehen. Sie unterscheiden sich nur aufgrund des verschiedenen Ordnungszustandes in der Intensität spezifischer „kristalliner“ und „amorpher“ Absorptionsbanden. Des Weiteren wurde mittels Aufheiz- und Abkühlvorgängen das Schmelz- bzw. Kristallisationsverhalten der Copolymere diskutiert. Dabei konnte beobachtet werden, dass das Schmelz- bzw. Kristallisationsverhalten mit Verminderung des PHB-Anteils im Copolymer deutlich vom PHB Homopolymer abweicht. So wurde neben der Erniedrigung der Schmelzpunkte der Copolymere während des Aufheizprozesses auch eine Behinderung der Kristallisation während des Abkühlvorganges beobachtet. Als weitere thermische Analysenmethode wurde die TGA/DTA/FT-IR Spektroskopie eingesetzt. Diese gab Auskunft über die Zersetzungsprozesse der Polymersysteme in verschiedenen Umgebungen (N2 bzw. Ar und O2). Bei der thermischen Zersetzung von PHB in Stickstoff Umgebung wurde eine Zersetzungstemperatur bei etwa 270 °C festgestellt. PHB zersetzt sich dabei über eine cis-Eliminierung zur Crotonsäure bzw. Isocrotonsäure. Diese werden im Zuge der Temperaturerhöhung als Folge einer Decarboxylierung zu Kohlenstoffdioxid und Propen zersetzt. Die thermische Zersetzung von PHB in Sauerstoff Atmosphäre zeigt einen vergleichbaren Zersetzungsprozess wie in Stickstoff Umgebung. So wurden bei der Zersetzung in Sauerstoff Umgebung nur eine größere Menge Kohlenstoffdioxid und die Bildung von Kohlenstoffmonoxid nachgewiesen. Für die thermischen Untersuchungen der Copolymere P(HB-co-HV), P(HB-co-HO) und P(HB-co-6HHx) wurden vergleichbare Zersetzungsprozesse wie beim PHB nachgewiesen. So entsteht neben den Zersetzungsprodukten des PHB aus der entsprechenden Copolymer-komponente über eine cis-Eliminierung die ungesättigte Carbonsäure und bei höheren Temperaturen als Folge einer Decarboxylierung das Alken und Kohlenstoffdioxid. Für die thermische Untersuchung von PCL in Stickstoff Umgebung wurde eine Abhängigkeit der Zersetzung vom Molekulargewicht des PCL festgestellt. So wurden für PCL (Mn=10000 g/mol) und PCL (Mn=80000 g/mol) zwei verschieden Abbauprozesse gefunden. PCL (Mn=10000 g/mol) zersetzt sich ab etwa 310 °C durch eine Depolymerisation zum -Caprolacton. Dieser Zersetzungsschritt wird im Wesentlichen durch die erhöhte Anzahl an Kettenendgruppen im PCL (Mn=10000 g/mol) begünstigt. Bei höheren Temperaturen wurden neben der 5-Hexensäure und Kohlenstoffdioxid in einem weiteren Schritt Methylpentanoat und Spuren von Wasserdampf nachgewiesen. Im Unterschied dazu wurde beim PCL (Mn=80000 g/mol) die Bildung des -Caprolactones nicht identifiziert. So wird angenommen, dass dieses auf die vergleichsweise geringe Anzahl an Polymerendgruppen beim hohen Molekulargewicht zurückzuführen ist. Aus diesem Grund wird die thermische Zersetzung erst bei 400 °C beobachtet und verläuft dann ununterscheidbar vom Abbau des PCL (Mn=10000 g/mol) ab. Bei der thermischen Zersetzung von PCL wurde ein völlig unterschiedlicher Zersetzungsprozess in Sauerstoff Atmosphäre im Vergleich zur Stickstoff Umgebung gefunden. In Sauerstoff Atmosphäre zersetzt sich PCL (Mn=10000 g/mol und Mn=80000 g/mol) unabhängig vom Molekulargewicht bei 250 °C zu kurzkettigen Carbon-säuren, Kohlenstoffdioxid, Wasser und Kohlenstoffmonoxid. Dieses Resultat steht im Gegensatz zur thermischen Zersetzung von PHB in Stickstoff und Sauerstoff Umgebung, bei der vergleichbare Mechanismen nachgewiesen wurden. Durch Anwendung der bildgebenden FT-IR Spektroskopie konnten Erkenntnisse über die räumliche Verteilung der kristallinen Bereiche in PHB Polymerfilmen sowie in deren Copolymeren gewonnen werden. Dabei wurde durch DSC-Vergleichsmessungen die Kontur der FT-IR Bilder in % Kristallinität umgerechnet, wodurch eine Aussage über den Ordnungszustand der Polymersysteme im Messareal von 260 x 260 µm möglich ist. So konnte festgestellt werden, dass die verschiedenen Polymerfilme unterschiedliche Kristallinitäten in der untersuchten Probenfläche aufwiesen. Außerdem wurde mittels der bildgebenden FT-IR Analysentechnik die Verträglichkeit von PHB und PCL in Polymermischungen in Abhängigkeit des Molekulargewichts von PCL untersucht. Bei den Untersuchungen der PHB/PCL (Mn(=42000 g/mol) Mischungen konnte eine Phasenseparation für Blends mit 40 und 50 wt.% PHB erkannt werden. So wurde festgestellt, dass sich PHB „Inseln“ in der PCL Polymermatrix ausbilden. Über eine Kalibration mit den minimalen und maximalen APHB/APCL Werten für die verschiedenen Polymermischungen gegen den Gehalt an PHB wurde abgeleitet, dass die separierten Phasen nicht aus einer Reinkomponente sondern aus einer Anreicherung einer der beiden Komponenten in einem Gemisch bestehen. Analoge Untersuchungen wurden für die PHB/PCL Polymermischungen mit Mn(PCL)=80000 g/mol durchgeführt. Dabei wurde eine Mischungslücke nur für die PHB/PCL Zusammensetzung 50/50 wt.% gefunden. Weiterhin wurde exemplarisch für die PHB/PCL (Mn(PCL)=42000 g/mol) Polymermischung (50/50 wt.%) anhand von kristallinen und amorphen Absorptionsbanden der PHB bzw. PCL Polymerkomponente mit dazugehörigen DSC-Vergleichsmessungen der Grad der Kristallinität innerhalb der Phasenseparation visualisiert. So konnte neben der Phasenseparation gleichzeitig auch eine Aussage zur Kristallinität innerhalb der PHB- bzw. PCL-reichen, phasenseparierten Bereiche gemacht werden.