Matena, Anja:
NMR-spektroskopische Charakterisierung der nicht stabil faltenden Villin-Headpiece36-Mutante mut8
Duisburg, Essen, 2010
2010Dissertation
BiologieFakultät für Biologie » Chemische Biologie
Titel:
NMR-spektroskopische Charakterisierung der nicht stabil faltenden Villin-Headpiece36-Mutante mut8
Autor*in:
Matena, AnjaUDE
LSF ID
48067
ORCID
0000-0002-6518-9065ORCID iD
Sonstiges
der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Akademische Betreuung:
Bayer, PeterUDE
GND
1059319691
LSF ID
10134
ORCID
0000-0003-0435-7202ORCID iD
Sonstiges
der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Erscheinungsort:
Duisburg, Essen
Erscheinungsjahr:
2010
Umfang:
141 Bl.
DuEPublico 1 ID
Signatur der UB:
Notiz:
Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2010

Abstract:

Villin Headpiece 36 (HP36) stellt als Teil des Villin eine autonom faltende kleine Untereinheit aus 36 Aminosäuren dar, dessen Tertiärstruktur 1997 von McKnight et al. über NMR-Spektroskopie gelöst wurde. Aufgrund der geringen Größe und der sowohl strukturell als auch funktionell guten Charakterisierung, ist HP36 ein beliebtes Modellpeptid in der Bioinformtik. Diese nutzt HP36 in ausgestreckter Konformation, um die Faltung des Peptids zu dessen stabiler Tertiärstruktur über Zeiträume um 200 ns zu simulieren. Nach HP36 wurden auch Mutanten und Verwandte des Peptids auf deren Stabilität und Faltungseigenschaften untersucht. So wurde deutlich, dass einzelne Mutationen wie F18K oder P62A drastische Auswirkungen auf die Struktur des Peptids haben und dazu führen, dass HP36 nicht mehr nativ falten kann. Andere Austausche von Aminosäuren dagegen beeinflussen die Faltung kaum, so weicht die Tertiärstruktur der G34L-Mutante kaum von der des Wildtyps ab. Neben den Faltungssimulationen für HP36, ist die Bioinformatik auch daran interessiert, Peptide auf verschiedene Kriterien ihn zu optimieren. Für die medizinische Forschung werden als Medikamente eingesetzte Peptide (z. B. Insulin) immer interessanter. So wäre es ein goßer Fortschritt, wenn über bioinformatische Simulationen Peptide so designed werden könnten, dass sie z. B. resistent gegenüber Proteasen, gut löslich in wässriger Umgebung und nicht toxisch für den Menschen sind und zudem noch ihren medizinischen Zweck erfüllen. Solche bioinformatisch verfolgbaren Ziele würden dazu beitragen, wesentlich schneller, präziser und kostengünstiger Therapeutika auf Peptid-Basis herzustellen. Um diese Idee umsetzen zu können, werden hochkomplizierte Algorithmen benötigt, die mehrere Kriterien gleichzeitig optimieren können. Zu den bekannten Optimierungsverfahren in der Bioinformatik zählen evolutionäre Algorithmen, welche die natürlich Evolution mit Mutation und Selektion als Vorbild nehmen. Der von der Bioinformatik-Gruppe um Prof. Dr. D. Hoffmann (ZMB, Universität Duisburg-Essen) entwickelte EMOS (Evolutionary Multiobjective Optimization System) ist ein evolutionärer Algorithmus, der auf mehrere Kriterien hin Peptide optimiert. Dieser Algorithmus wurde erfolgreich auf das Kriterium Stabilität hin getestet. Dafür wurde die instabile F18K-HP36-Mutante über EMOS wieder strukturell stabilisiert. Es ergab sich ein Ensemble an Strukturen, in dem u. a. auch die G34L-Mutante auftrat. Diese erwies sich nachweislich sogar als stabiler gegenüber dem Wildtyp, das von der Bioinformatik postulierte Ergebnis wurde über NMR-Spektroskopie verifiziert. Eine andere Sequenz aus dem vorhergesagten Ensmble, r1g11i1, fiel dabei durch die hohe Anzahl an acht Mutationen auf. Für diese Mutante wurde von EMOS ebenfalls eine hohe strukturelle Stabilität vorhergesagt. Für r1g11i1 wurde über eine MDSimulation die Struktur new2 vorhergesagt. In dieser Arbeit wurde das chemisch synthetisierte r1g11i1, bezeichnet als mut8, über NMR-Spektroskopie charakterisiert und mit der EMOS-Vorhersage verglichen. Dafür wurden homonukleare 2D-Spektren (COSY, TOCSY, NOESY) aufgenommen und zugeordnet. Die Informationen aus den Signalen des NOESY-Spektrums dienten dazu, sowohl eine Sekundärstrukturanalyse des Peptids durchzuführen als auch ein Ensemble an möglichen Tertiärstrukturen zu berechnen. Dabei wurde deutlich, dass mut8 gut definierte α-Helices am N- und C-Terminus besitzt (Aminosäuren 5 bis 10 und 30 bis 34 [Mittelung der NMR-Daten]), wohingegen eine mittlere Helix (AS 23 bis 26) weniger gut bestimmt werden konnte. Entgegen der präzise bestimmbaren Sekundärstrukturen von mut8, konnte keine eindeutige Tertiärstruktur berechnet werden. mut8 aggregierte nicht in Lösung, einige NOEs waren nicht miteinander kombinierbar und trotzdem waren gut definierbare α-Helices bestimmar. Aufgrund dessen wurde vermutet, dass es sich bei der HP36-Mutante um ein dynamisches Peptid handelt, dessen Konformationen so schnell ineinander übergehen, dass sie nicht mehr über ein NOESY-Spektrum auflösbar sind. Um dieser Annahme nachkommen zu können, sollte ein heteronukleares HSQCNOE-Spektrum aufgenommen werden, wofür wiederum mut8 15N-markiert vorliegen musste. Dafür wurde mut8 erfolgreich kloniert, 15N-markiert exprimiert und gereinigt. Der N-terminale Abbau von mut8 während der Expression wurde zwar nicht gestoppt, jedoch minimiert. Es wurde ein HSQCNOESpektrum aufgenommen, dessen Signale mit Hilfe eines SOFAST-HMQC-Spektrums der chemisch synthetisierten mut8-Probe eindeutig zugeordnet werden konnten. Durch die Aufnahme des HSQCNOE-Spektrums und der Berechnung des hetNOE (η) wurden die dynamischen Eigenschaften von mut8 bestätigt. So erwies sich mut8 als insgesamt dynamisch, besonders große Flexibilität konnte an den Termini sowie im mittleren Schleifen-Bereich des Peptids festgestellt werden. Diesen Informationen zufolge hat EMOS das Ziel, mit r1g11i1 eine stabile Mutante vorherzusagen, nicht erreicht. Somit muss der Algorithmus weiterhin optimiert werden. Da r1g11i1 jedoch erstens eine stabile Sekundärstruktur aufweist und zweitens aus einem Cluster von Sequenzen stammt, für dessen G34L-Mutante eine erhöhte Stabilität nachgewiesen wurde, ist das Potential zur korrekten Vorhersage von struktureller Stabilität gegeben. Die vorhergesagte Struktur new2 sollte abschließend darauf überprüft werden, ob sie sich genauso verhält wie mut8, d. h. ob dieselben Sekundärstrukturelemente zu finden und ob die dynamischen Eigenschaften ebenfalls gleich sind. Dafür wurden von Manuel Prinz (Bioinformatik, AG Hoffmann) über Bestimmung von NOEs und DSSP-Rechnungen gezeigt, dass in new2 die α-Helices etwa von Aminosäuren 4 bis 10 und 23 bis 32 auftreten (eine mittlere Helix war auch hier nur mäßig gut definiert), diese Ergebnisse somit mit den ermittelten Werten für mut8 übereinstimmen. Ebenfalls durchgeführt wurden von Manuel Prinz RMSF-Kalkulationen, über welche die Danymik von new2 bestätigt wurde. Auch hier stimmten die Daten mit denen für mut8 überein. Interessanterweise zeigte eine zusätzliche RMSF-Rechnung des HP36-Wildtyps (1vii), dass new2 bzw. mut8 sich insgesamt dynamischer verhält als der Wildtyp. Die Rechenleistung, die hinter EMOS steckt, ist äußerst komplex. So wird es auch weiterhin nötig sein – nach erfolgter Optimierung des Algorithmus – über EMOS getroffene Vorhersagen zu überprüfen. Die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse können dazu dienen, zuerst EMOS zu verbessern und Resultate aus neuen Vorhersagen für HP36-Mutanten schnell und effizient zu überprüfen.