Berndt, Eva Maria:
Schaltbare und biozide Antibiofouling-Beschichtungen durch funktionale Block- und Pfropfcopolymere mit definierter Architektur
Duisburg, Essen, 2010
2010Dissertation
ChemieFakultät für Chemie » Technische Chemie
Titel in Deutsch:
Schaltbare und biozide Antibiofouling-Beschichtungen durch funktionale Block- und Pfropfcopolymere mit definierter Architektur
Autor*in:
Berndt, Eva Maria
Akademische Betreuung:
Ulbricht, MathiasUDE
GND
122685083
LSF ID
11307
ORCID
0000-0002-2094-0708ORCID iD
Sonstiges
der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Erscheinungsort:
Duisburg, Essen
Erscheinungsjahr:
2010
Umfang:
XV, 271 S.
DuEPublico 1 ID
Signatur der UB:
Notiz:
Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2011
Sprache des Textes:
Deutsch

Abstract:

Der Bewuchs von Oberflächen mit mikrobiellen Belägen in wasserführenden Systemen verursacht technische sowie hygienische Probleme. Bisher konnte noch keine Oberfläche entwickelt werden, die solches Biofouling unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten effektiv verhindert. Ziel dieser Dissertation war die Einbringung von definierten Polymerarchitekturen in polymere Oberflächen, um diesen schaltbare und/oder biozide Eigenschaften zu verleihen, aus denen wiederum eine Antibiofouling-Aktivität resultiert. Dazu wurde ein Konzept verwendet, in dem die aktive, das Biofouling verhindernde polymere Komponente in der Architektur eines Block- oder Pfropfcopolymers an einen Ankerblock geknüpft wurde, der dazu dient, die aktive Komponente fest in einer Beschichtung einzubetten. Das temperatur-responsive Poly(N-Isopropylacrylamid) (PNIPAAm) wurde dabei als schaltbarer aktiver Block ausgewählt, mit dem eine Oberfläche realisiert werden sollte, deren Eigenschaften sich durch Temperaturänderungen ständig verändern können. Als biozide Komponente wurde hydrophob quarternisiertes Poly((2-Dimethylaminoethyl)methacrylat) (PDMAEMAq), dessen Wirksamkeit in Abhängigkeit von der Quarternierung mit Oktylketten (PoDMAEMA), mit Methylketten (PmDMAEMA) oder einer Mischung von beiden (PqDMAEMA) untersucht werden sollte. Beide aktiven Komponenten wurden an Poly(n-Butyl(meth)acrylat) (PB(M)A) als Ankerblock gebunden. Unter Verwendung dieser Additive konnte zum einen der Postfunktionalisierungsansatz des Adsorption/Entrapments einer bereits bestehenden polymeren Oberfläche und zum anderen ein direkter Beschichtungsansatz zum Erhalt oberflächensegregierter Schichten durch sequentielle Lösungsmittelverdampfung verfolgt werden. Gleichzeitig sollte durch diese Strategie die Korrelation der Eigenschaften der Polymerarchitekturen mit denen der Oberflächen möglich sein. Der erste Teil der Arbeit bestand in der kontrollierten Synthese der Polymerarchitekturen. Dazu wurde die lebende Polymerisationstechnik der „Atom Transfer Radical Polymerization“ (ATRP) genutzt. Durch Optimierungsversuche konnte eine kontrollierte und lebende Polymerisation von BA erhalten werden. Hingegen war die ATRP von NIPAAm lediglich kontrolliert, wies jedoch keine lebenden Charakteristika auf. Die ATRP von DMAEMA litt vor allem daran, dass sie nicht reproduzierbar war, es konnten jedoch viele Charakteristika einer kontrollierten und lebenden Polymerisation gefunden werden. Durch diese Polymerisationen waren Blockcopolymere mit PNIPAAm nur zugänglich, wenn PBA als Makroinitiator verwendet wurde. Dabei konnten Polymere mit Molmassen von 25 000 g/mol bis 50 000 g/mol und Blockverhältnissen von 29 % bis 62 % PNIPAAm synthetisiert werden. Pfropfcopolymere mit einem PBMA-Rückgrat und unterschiedlich langen PNIPAAm-Seitenketten konnten erfolgreich unter Zugabe von Opferinitiator oder auch Cu(II) erhalten werden. Ebenso waren Blockcopolymere mit zu den oben genannten vergleichbaren Molmassen und Blockverhältnissen auf Basis von BA und DMAEMA zugänglich, die in einem anschließenden Schritt mit Oktylbromid und/oder Methyliodid quarterniert wurden. Die Charakterisierung dieser Polymere in Lösung zeigte für die PBA-b-PNIPAAm eine starke Abhängigkeit der Löslichkeit von der Gesamtmolmasse und der Größe des PBA-Blockes. Für die kleineren, löslichen Polymere konnten aber die erwarteten Schalttemperaturen von 32 °C des PNIPAAm-Blockes bestimmt werden. Auf Basis von kritischen Wasserkonzentrationsmessungen und der Bestimmung kritischer Mizellpunkte wurde eine Lösung bestehend aus 25 Vol.-% wässrigem N,N-Dimethylacetamid (DMAc) gewählt, um gespincoatete Polysulfon- (PSf) und Polyethersulfon- (PES) Filme über den Adsorptions/Entrapment-Ansatz zu funktionalisieren. Hierbei stellte sich heraus, dass nur die Blockcopolymerarchitektur unter diesen Bedingungen löslich war und für die stabile Funktionalisierung von PSf eine Mindestmolmasse des PBA-Ankerblockes von 7 500 g/mol erforderlich war. Die PES-Filme konnten bereits mit einem Homopolymer PNIPAAm stabil funktionalisiert werden. Die reversible Schaltbarkeit der funktionalisierten Filme konnte über temperaturabhängige Vermessung von Kontaktwinkeln gezeigt werden. Auf Basis dieser Ergebnisse wurden auch kompliziertere Oberflächengeometrien wie PSf- oder PES-Mikrofiltrations-Membranen über den Adsorptions/Entrapment-Prozess erfolgreich funktionalisiert. Hier konnte durch die Änderung der Permeabilität mit der Temperatur die Immobilisierung des PBA-b-PNIPAAms an den Porenwänden nachgewiesen werden. Auch für die bioziden Blockcopolymere PBA-b-PDMAEMAq wurden zunächst ihre kolloid-chemischen Eigenschaften untersucht. Durch die Zugabe von Salz zu einer 25 Vol.-% wässrigen DMAc-Lösung konnte zum einen die Reduzierung der kritischen Mizellkonzentrationen im Vergleich zu der gleichen Lösung ohne Salz gezeigt werden. Zum anderen wurde auch in Abhängigkeit von der Art der Quarternierung die Ausbildung von Substrukturen innerhalb der Mizellen durch die hydrophobe Wechselwirkung der Oktylketten verfolgt. Diese Strukturen besaßen auch einen großen Einfluss auf die Funktionalisierung von PSf-Filmen über den Adsorptions/Entrapment-Prozess. Insgesamt konnte über die Anbindung eines anionischen Farbstoffes, sowie Zetapotential- und Kontaktwinkelmessung die Funktionalisierung gezeigt werden, wobei jedoch widersprüchliche Ergebnisse in Bezug auf ihre Stabilität erhalten wurden. Trotz allem konnte ein bakterizider Effekt von ~ 86 % gegen Staphyloccocus aureus über LIVE/DEAD-Färbung und Auszählung von koloniebildenden Einheiten (KBE) bestimmt werden. Für die Konzeptionierung des direkten Beschichtungsansatzes über die sequentielle Lösungsmittelverdampfung wurden die Hansen-Löslichkeitsparameter erfolgreich angewendet. Es konnte gezeigt werden, dass für eine vollständige Oberflächensegregation von 5 Gew.-% PBA-b-PNIPAAm in einer PBMA-Beschichtung auf Glas aus einer Lösung bestehend aus 58.2 Vol.-% EtOAc, 38.8 Vol.-% n-PrOH und 3 Vol.-% Wasser eine ausreichende Verdampfungszeit und die 3 % Wasser essentiell waren. Die Triebkraft der selektiven Migration war dabei durch die Löslichkeit und somit die Länge des PNIPAAm-Blockes bestimmt. Ein PBA-b-PNIPAAm Additiv mit einer mittleren Molmasse von 37 500 g/mol und einem mittlerem Blockverhältnis mit 57 % PNIPAAm war für eine stabil funktionalisierte, reversibel schaltbare oberflächensegregierte Schicht mit dem Additiv ausschließlich auf der Luftseite der PBMA-Schicht optimal. Auf Basis des gleichen Ansatzes konnten auch oberflächensegregierte Schichten mit den Additiven PBA-b-PqDMAEMA hergestellt werden, die eine bakterizide Wirkung von 96 % über LIVE/DEAD-Färbung und 92 % über KBE-Auszählungen gegen das gram-positive Bakterium S. aureus besaßen. Ebenso konnte die Membranschädigung von 92 % des gram-negativen Bakteriums Pseudomonas aeruginosa über LIVE/DEAD-Färbung nachgewiesen werden. Durch eine geeignete Kombination der beiden Additive PBA-b-PNIPAAm und PBA-b-PqDMAEMA in Bezug auf die Blocklängen ihrer aktiven Komponenten konnte durch die Methode der sequentiellen Lösungsmittelverdampfung abschließend eine Oberfläche hergestellt werden, die bei 37 °C kationische Eigenschaften durch das biozide Additiv besitzt und bei 25 °C neutrale, hydrophile Eigenschaften durch die PNIPAAm-Komponente. Somit wurde eine Oberfläche realisiert, die gleichzeitig hohe bakterizide Wirkung gegen S. aureus besaß, aber auch durch die PNIPAAm-Komponente die Möglichkeit zur Selbstreinigung durch Temperaturschaltung besitzt. Zusammenfassend wurden somit neue Konzepte erarbeitet, die die Primäradhäsion von gram-positiven und gram-negativen Bakterien stark reduzieren, diese Organismen töten und vor allem durch die Fähigkeit zur Selbstreinigung eine hohes Potential besitzen, die Biofilmbildung und somit letztendlich Biofouling zu reduzieren.