Kipke, Sandra:
Implantierbare diffusionsgesteuerte Drug Delivery Systeme
Duisburg-Essen, 2003
2003Dissertation
ChemieFakultät für ChemieFakultät für Chemie » Anorganische Chemie
Titel:
Implantierbare diffusionsgesteuerte Drug Delivery Systeme
Autor*in:
Kipke, Sandra
Erscheinungsort:
Duisburg-Essen
Erscheinungsjahr:
2003
Umfang:
V, 119 Bl. : Ill., graph. Darst.
DuEPublico 1 ID
Signatur der UB:
Notiz:
Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2003

Abstract:

m Rahmen dieser Arbeit wurden die Grundlagen für ein Implantat zur gesteuerten Medikamentenfreisetzung erarbeitet. Aufgabe war es, ein einfaches Modell für ein diffusionsgesteuertes Drug Delivery System zu entwickeln. Aus der als Reservoir dienenden Kapsel sollte die Freisetzung von Wirkstoffen über die Porengröße von nanoporösem Aluminiumoxid gesteuert werden. Nanoporöse Aluminiumoxid-Schichten können durch eine anodische Oxidation von Aluminium erhalten werden. Die während der Anodisierungen angelegten Spannungen betrugen 15 V, 20 V und 40 V. Dadurch wurden Poren mit Durchmessern von <20 nm bis >50 nm gebildet. Die bei der Anodisierung entstandene Barriereschicht wurde durch Behandlung mit Chromsäure aufgelöst. Dadurch wurden Durchflussmembranen erhalten, bei denen der Porendurchmesser über die gesamte Schichtdicke konstant war. Da das Aluminiumoxid später in einer medizinischen Anwendung eingesetzt werden soll, wurde das Material in Bezug auf Cytotoxizität untersucht. In diesen Zelltests konnte gezeigt werden, dass nanoporöses Aluminiumoxid in vitro biokompatibel ist. Zur Modellierung des Drug Delivery Systems wurde eine Kapsel entwickelt, die an einer Seite mit einer Membran verschlossen war. Als Membranen wurden neben selbsthergestelltem Aluminiumoxid auch Anopor®-Membranen mit Porengrößen von 20 und 200 nm sowie TEM-Grids eingesetzt. In die Modellkapsel wurden verschiedene Substanzen als Feststoffe eingebracht. Aufgrund ihrer eingeschränkten Stabilität in Lösung, unzureichender Löslichkeit oder mangelnder Nachweisbarkeit konnten Freisetzungsversuche mit Stoffen wie Oxaliplatin, L-Dopa, Glukose, Alanin und Kresolrot jedoch nicht erfolgreich durchgeführt werden. Daher wurde der Farbstoff Kristallviolett als Modellsubstanz eingesetzt, welcher auch in geringen Konzentrationen durch UV/VIS-Absorptionsspektroskopie nachgewiesen werden konnte. Die Drug Delivery Versuche wurden bezüglich verschiedener Bedingungen untersucht. Einen großen Einfluss auf die Diffusion hatte die Stellung der Kapsel. In liegendem Zustand schieden sich Feststoffteilchen auf der Membran ab, wodurch die Diffusionseigenschaften stark beeinträchtigt wurden. Hingegen wurde durch eine senkrechte Stellung der Kapsel eine Verstopfung der Membran verhindert und damit reproduzierbare Versuchsergebnisse erhalten. Ferner wurde festgestellt, dass die geringe Lösungsgeschwindigkeit von Kristallviolett in Wasser einen Einfluss auf die Freisetzungsrate besaß. Dies wurde durch die Verwendung eines anderen Lösungsmittels (Ethanol) bestimmt. Es wurde dabei gezeigt, dass die Lösungsgeschwindigkeit die einzige bestimmende Größe für die Freisetzungsgeschwindigkeit von Kristallviolett war. Eine Abhängigkeit von der Porengröße wurde in diesen Versuchen nicht festgestellt. Dieses Ergebnis wurde mit dem zu kleinen Moleküldurchmesser von Kristallviolett im Vergleich zum Porendurchmesser erklärt. Um den Einfluss der Lösungsgeschwindigkeit von Kristallviolett in Wasser zu eliminieren und gleichzeitig den effektiven Teilchendurchmessers zu vergrößern, wurde Kristallviolett in Mizellen solubilisiert. Zur Mizellbildung wurden verschiedene kationische, neutrale und anionische Tenside wurden getestet. Daraus ergab sich, dass zwischen dem anionischen Tensid SDS und dem positiv geladenen Kristallviolett Wechselwirkungen auftraten. Die Ausbildung von Mizellen, in denen Kristallviolett solubilisiert war, wurde durch UV/VIS-Absorptionsspektroskopie und Fluoreszenzspektroskopie nachgewiesen. Neben der erhöhten Löslichkeit wurde der effektive Diffusionsdurchmesser von Kristallviolett durch die Solubilisierung von 1,6 nm auf ~5 nm mehr als verdreifacht. Mit der Inkorporation wurden zwei Effekte erzielt. Zum einen stieg die Löslichkeit, so dass eine ausreichende Konzentration von gelöstem Kristallviolett innerhalb der Kapsel für die Diffusion zur Verfügung stand. Zum anderen wurde der Teilchendurchmesser an die Porengröße angepasst. Unter diesen Bedingungen wurde eine Abhängigkeit der Freisetzungsrate von der Porengröße bei verschiedenen Membranen beobachtet. Allerdings waren diese Versuche mit großen Fehlern behaftet. Als Grund wurde die Ausbildung eines Konzentrationsgradienten innerhalb der Kapsel festgestellt. Der Konzentrationsgradient entstand dadurch, dass die Freisetzungsgeschwindigkeit höher als die Diffusionsgeschwindigkeit der Mizellen innerhalb der Kapsel war. Dies wirkte sich besonders bei großen Poren aus. Wurde der Konzentrationsgradient durch Bewegung oder durch Verkleinerung der Kapsel ausgeglichen, so wurde bei großen Poren eine erhöhte Freisetzungsrate beobachtet. Bei kleinen Poren hingegen wurde dies nicht festgestellt. Dies lag am geringen Unterschied in den Durchmessern der Poren und der Mizellen, wodurch sich auch bei ruhender Kapsel kein Konzentrationsgradient ausbildete. Durch die optimierten Bedingungen (stehende und bewegte Kapsel, Mizellen) war es möglich, die Freisetzung der Modellsubstanz Kristallviolett über die Porengröße reproduzierbar zu steuern. Störende Faktoren, wie z. B. die Lösungsgeschwindigkeit des Feststoffs oder der Diffusionsgeschwindigkeit, wurden dadurch eliminiert. Für große Porengrößen trat ein peak-and-through Zyklus in der Freisetzung auf, der hauptsächlich auf die schnelle Leerung der Kapsel zurückzuführen war. Die Freisetzungsraten erreichten zu Beginn des Versuchs (<10 Tage) Werte bis ca. 8 µg/Tag. Dagegen wurde bei kleinen Poren die angestrebte konstante Freisetzung der Modellsubstanz bei einer Rate von < 1 µg/Tag erreicht. Dies bedeutet, dass bei einer Füllung mit 150 µg Feststoff eine konstante Freisetzung des Wirkstoffs über mehrere Monate möglich ist. Die entscheidende Rolle der Mizellen bei der Freisetzung wurde durch Vergleichsversuche mit Natriumsulfat bewiesen. Diese zeigten, wie die Versuche mit reinem Kristallviolett, keine Abhängigkeit von der Porengröße. Versuche mit Mizellen führten dagegen zu einer langsameren Freisetzung bei kleinen Porengrößen, was auf die Diffusionshemmung aufgrund des gestiegenen Teilchendurchmessers zurückgeführt wurde. Dagegen war die Freisetzung aus großen Poren bei Verwendung von Mizellen schneller als ohne Mizellbeteiligung. Hier wirkte sich die verbesserte Löslichkeit aus, da die großen Poren kein nennenswertes Diffusionshindernis für die Mizellen darstellten. Neben der Abhängigkeit von der Porengröße wurde untersucht, in wieweit der Einsatz von Filtermassen als Schutz für die Membran die Freisetzungsgeschwindigkeit beeinflusst. Dabei wurde festgestellt, dass ihr Einsatz möglich ist, da sie sich nicht negativ auf die Freisetzungs- und Diffusionseigenschaften des Wirkstoffs auswirkten. Ferner wurde in einem Upscale-Versuch gezeigt, dass durch die Vergrößerung der Membranfläche auch wesentlich höhere Freisetzungsraten (40 µg/Tag) erzielt werden können. Mit dem in dieser Arbeit vorgestellten Modellsystem aus Kapsel, Modellsubstanz und passendem Tensid konnte ein allgemeiner Steuermechanismus für ein neues Drug Delivery System aufgezeigt werden. Um die Entwicklung der Modellkapsel zu einem fertigen Produkt fortzuführen, sind weitere Arbeiten nötig. So muss das Verhalten der Kapsel in physiologischer Umgebung betrachtet werden. Dabei ist sowohl ein Einfluss des Kapseldesigns als auch die Biokompatibilität in vivo zu berücksichtigen. Ebenso ist eine mögliche Änderung des Freisetzungsverhaltens in physiologischer Umgebung zu beachten. So ist z. B. ein verändertes Solubilisierungsverhalten der Mizellen oder ein Einfluss von körpereigenen Stoffen auf den Mizellaufbau denkbar. Ferner ist das Verhalten des Systems bei Einsatz anderer Modellsubstanzen zu untersuchen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Tensid und Wirkstoff aufeinander abgestimmt werden müssen. Die für diese Arbeit verwendete Kapsel stellt einen ersten Prototyp für ein späteres Implantat dar. Eine Weiterentwicklung des Systems zeigt Abb. 58 (s. S. 98 der Dissertation). Die DebioSTARTM-Kapsel wurde im Rahmen dieser Arbeit von der Firma Debiotech entworfen. Die Entwicklung richtete sich dabei hauptsächlich nach medizinischen Gesichtspunkten, im Gegensatz zur in dieser Arbeit verwendeten Kapsel. Sie weist eine große Membranfläche zur Freisetzung des Wirkstoffs auf. Außerdem ist sie mit einem Septum zum Wiederbefüllen mit einer Lösung oder Suspension ausgestattet. In dieser Arbeit wurde die Grundlage für ein implantierbares Drug Delivery System geschaffen, das durch seinen unkomplizierten Aufbau einfach und kostengünstig herzustellen ist. Die kompakte Bauweise erlaubt eine Implantation an verschiedenen Stellen des Körpers. Eine breite Verwendbarkeit von Medikamenten ohne Einschränkung der Substanzklasse ermöglicht eine spätere Anwendung in den verschiedensten Therapien.