- LSF ID
- 52324
- ORCID
-
0000-0002-5676-8137
- Sonstiges
- der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Abstract:
In der bisherigen Forschungsgeschichte wurde wiederholt die Verwandtschaft der Konstrukte Sensation Seeking und Impulsivität betont, wobei aufgrund widersprüchlicher theoretischer Vorannahmen und inkonsistenter Befunde sowie des Fehlens einer überzeugend differenzierten Untersuchung bisher kein Konsens hinsichtlich der Charakterisierung ihrer Beziehung zueinander erreicht wurde (z.B. Eysenck & Eysenck, 1978; Cloninger, 1987; Zuckerman, 1994; Barratt, Orozco-Cabal & Moeller, 2004; Steinberg et al., 2008). Mit der Zielstellung diese Lücke zu schließen, untersucht die vorliegende Arbeit die Beziehung der beiden Konstrukte im ersten Teil im Rahmen einer umfassenden theoretischen Analyse und überprüft daraus abgeleitete Annahmen anschließend im zweiten Teil anhand einer empirischen Studie. Der theoretische Teil beginnt mit einer genauen Analyse der einzelnen Konstrukte selbst. Ausgehend von verschiedenen Modellen und Vorschlägen zur Konzeption und Erfassung von Impulsivität wird schließlich der Aspekt fehlender bzw. mangelnder (Verhaltens-)Hemmung bzw. Kontrolle (z.B. Barratt, 1994) als grundlegendes Merkmal für Impulsivität identifiziert und ein eigenes korrespondierendes Modell zur Klassifizierung entsprechender Subfacetten von Impulsivität vorgestellt, das darüber hinaus erstmals den prozessualen Charakter der Beziehung zwischen den einzelnen Komponenten des Konstruktes modelliert. Die anschließende Auseinandersetzung mit dem Persönlichkeitsmerkmal Sensation Seeking favorisiert nach kritischer Diskussion verschiedener Konzeptionsansätze und Messinstrumente das (Stimulations-)Bedürfniskonzept (Arnett, 1994; Roth & Hammelstein, 2012) gegenüber Zuckermans (1979, 1994) ursprünglichem Trait-Ansatz. Auf diesen separaten Analysen aufbauend erfolgt eine inhaltlich-konzeptionelle Untersuchung des Beziehungsgeflechtes zwischen beiden Konstrukten. Diese offenbart zwar einen dualistischen Charakter des Verhältnisses, der sich in Abhängigkeit davon, von welchem Konstrukt aus man es betrachtet, verändert, gleichzeitig aber eindeutig für eine Trennung beider Konzepte auf theoretischer Ebene argumentiert. Dabei lassen sich vor allem im Kontext von Stressreaktionen deutliche Unterschiede zwischen beiden Konstrukten vermuten. Zur empirischen Überprüfung dieser Sichtweise wurde zudem eine Studie zur Untersuchung der diskriminanten Validität beider Konstrukte im Kontext von Stresserleben bzw. Stressfolgen (durch Lärm induziert) durchgeführt, wobei folgende zwei Annahmen als Ausgangspunkt dienten: (1.) Da Personen mit hohen Sensation-Seeking-Ausprägungen Situationen präferieren, die mit emotional-kognitiver Erregung assoziiert sind, lässt sich vermuten, dass diese eher in der Lage sind, das mit Belastungen, An- und Überforderungen verbundene erhöhte Arousal zu tolerieren und weniger beeinträchtigt werden (z.B. Smith, Ptacek & Smoll, 1992; Roberti, 2003). Zwar konnten verschiedene Studien die Hypothese, dass negative Effekte der Stressbelastung durch eine erhöhte Sensation Seeking-Ausprägung abgemildert werden (sog. Stress-Puffer-Hypothese), im Prinzip bestätigen, allerdings müssen die bisherigen Befunde vor dem Hintergrund methodischer Mängel als vorläufig relativiert werden. (2.) Merkmale von Impulsivität auf kognitiver und Verhaltensebene weisen hingegen einerseits deutliche Parallelen zu Auswirkungen von (akutem) Stress auf. Stress führt also gewissermaßen zu impulsiverem Verhalten (z.B. Ego-Depletion-Effekt). Gleichzeitig wird Impulsivität gemäß dem Diathese-Stress-Modell als Vulnerabilitätsfaktor für zahlreiche psychische Störungen diskutiert und sowohl konzeptionell bedingt als auch empirisch gestützt mit einer höheren Anfälligkeit für Stress(erleben) in Verbindung gebracht (z.B. Lok & Bishop, 1999; Corr & Kumari, 1998). Es ist also anzunehmen, dass Personen mit hohen Ausprägungen von Impulsivität auch stärkere Beeinträchtigungen unter Stress zeigen. Aus der Kombination dieser beiden Annahmen ergibt sich damit schließlich die Hypothese unterschiedlicher Wirkungsrichtungen für die stressmoderierenden Effekte beider Konstrukte und damit ein deutlicher Hinweis auf eine diskriminante Validität. Allerdings wurden diese Zusammenhänge bislang nicht unter Berücksichtigung der verschiedenen Beobachtungsebenen von Stresseffekten systematisch untersucht. In der vorliegenden Studie mit 144 Schülern der gymnasialen Oberstufe wurde die Hypothese unterschiedlicher stressmoderierender Effekte für Impulsivität und Sensation Seeking anhand einer Korrekturleseaufgabe unter Variation akustischer Stressoren experimentell überprüft und mögliche Unterschiede in Abhängigkeit der (Subfacetten der) Konstrukte auf folgenden drei Ebenen untersucht: 1. Selbstberichtsmaße (zum Stresserleben und Leistungseinschätzung), 2. Leistungsmaße (Güte des Korrekturlesens) und 3. Peripher-physiologische Parameter (EDA, Herzrate, Fingerpulsamplitude und Fingertemperatur). Die Befunde zeigen zwar, dass sich die induzierte Stressbelastung auf allen drei Ebenen in vergleichbarer Weise (signifikant) niederschlägt. Allerdings fanden sich keinerlei Hinweise auf (spezifische) stressmoderierende Effekte in Abhängigkeit der Konstrukte.