Völkel, Nina Karolin:
Der Einfluss von Ganzkörpervibrationen auf kognitive und motorische Leistungen
Duisburg, Essen, 2014
2014Dissertation
Sport- und BewegungswissenschaftenFakultät für Bildungswissenschaften
Titel:
Der Einfluss von Ganzkörpervibrationen auf kognitive und motorische Leistungen
Autor*in:
Völkel, Nina Karolin
Akademische Betreuung:
Hennig, EwaldUDE
GND
1161559779
LSF ID
10982
ORCID
0000-0002-2799-8590ORCID iD
Sonstiges
der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Erscheinungsort:
Duisburg, Essen
Erscheinungsjahr:
2014
Umfang:
VII, 152 Bl. : Ill., graph. Darst.
DuEPublico 1 ID
Signatur der UB:
Notiz:
Duisburg, Essen, Univ., Diss., 2014

Abstract:

Ganzkörpervibrationsgeräte sind im heutigen Sport- und Gesundheitssektor weit verbreitet und werden immer häufiger auch in der Rehabilitation eingesetzt. Die Erkenntnis, dass Vibrationen einen positiven Einfluss auf den menschlichen Körper ausüben können, ist relativ neu (Rittweger, 2010), wohingegen negative Effekte in der Arbeitswissenschaft seit den 1960er Jahren bekannt sind (Costa et al., 2012). Sportwissenschaftliche Untersuchungen fokussieren sich auf die Effekte einer Vibrationswirkung auf die Kraftfähigkeit der unteren Extremitäten. In Studien mit Parkinson-Patienten konnten nach einer Ganzkörpervibration akute Verbesserungen der koordinativen Fähigkeiten und eine deutliche Reduktion des Tremors festgestellt werden (Haas & Schmidtbleicher, 2002). Fraglich ist, ob diese Effekte auch auf ein gesundes Probandenkollektiv übertragbar sind. In einer ersten empirischen Studie wurde dieser Fragestellung nachgegangen. 40 Sportstudenten der Universität Duisburg-Essen nahmen an dieser Cross-over Studie teil. An zwei Messtagen erfolgte zunächst eine 5-minütige Aufwärmung auf einem Fahrradergometer. Anschließend führten die Probanden einen Test zur Erfassung der Handkoordination aus. Dabei sollten sie mit einem Laserpointer ein Ziel in 10 Meter Entfernung anvisieren. Die Bewegung des Pointers wurde mit Hilfe einer Kamera aufgenommen und später mit einem Computerprogramm die Bewegung des Laserpunktes ausgewertet. Die Messung erfolgte dreimal in sitzender und dreimal in stehender Position auf einem Bein (Prä). Im Anschluss wurde eine 2-minütige Ganzkörpervibration mit 5 Hz und einer Wiederholung der Handkoordinationsmessung durchgeführt (Inter). Danach erfolgte ein zweites 2-minütiges Vibrationstreatment mit 25 Hz und darauf folgender Messung der Handkoordination (Post). Die Reihenfolge der Frequenzen wurde zwischen den beiden Testtagen getauscht und über die Probanden randomisiert. Der aufsummierte Weg und der aufsummierte Abstand vom Nullpunkt der Laserprojektion wurde für 15 Sekunden erfasst und statistisch ausgewertet. Eine Verbesserung der Testleistung konnte für dieses gesunde Probandenkollektiv gezeigt werden. Nach einer Vibrationseinwirkung mit 5 Hz reduzierte sich sowohl die aufsummierte Wegstrecke und der aufsummierte Abstand vom Nullpunkt in beiden Messsituation (sitzend und Einbeinstand). Nach dem Treatment mit 25 Hz zeigten sich für die aufsummierte, zurückgelegte Strecke in beiden Messsituationen eine Verbesserung der Handkoordinationsaufgabe. Für den aufsummierten Abstand vom Nullpunkt zeigte sich nur im Einbeinstand ein positiver Effekt. Hinsichtlich des Vergleichs mit der Studie von Haas & Schmidtbleicher (2002), kann davon ausgegangen werden, dass ein Vibrationstreatment in einem Frequenzbereich von 5 Hz bei Parkinson-Patienten sowie bei gesunden Probanden zu einer Verbesserung der motorischen Auge-Handkoordination führt. Da sich die Veränderungen in den oberen Extremitäten bemerkbar gemacht haben, das Vibrationstreatment aber über die unteren Extremitäten appliziert wurde, muss die Auswirkung der Vibrationsbelastung über die Beeinflussung der Muskulatur hinausgehen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang Veränderungen der Neurotransmitterkonzentration im Cerebrum, wie sie auch in tierexperimentellen Untersuchungen gezeigt werden konnten (Nakamura et al., 1992), eine Reduktion des physiologischen Tremors oder eine optimierte Selektion der afferenten Signale und die damit einhergehende Verschiebung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Reize (Ashton-Miller et al., 2001). Nach der 25 Hz Bedingung zeigten sich ebenfalls Verbesserungen in der Handkoordination. Fraglich bleibt hier, ob diese Effekte durch Veränderungen auf zentraler Ebene zu erklären sind. Durch die Wahl des Studiendesigns kann nicht abschließend geklärt werden, ob diese Verbesserungen durch Lerneffekte oder eine Placebowirkung zustande gekommen sind. In der ausgeführten Doppelaufgabe bleibt unklar, welche Komponenten (Einbeinstand oder Handkoordination) maßgeblich zur Verbesserung beigetragen haben. Diesen Fragen wurde in einer weiteren Studie nachgegangen, die die Gleichgewichtsfähigkeit und Aufmerksamkeit untersucht. An dieser Parallelstudie im Doppelblind Prä-Post Design nahmen 60 männliche Probanden teil. Das Probandenkollektiv setzte sich aus männlichen Teilnehmern zusammen, da Studien belegen, dass sich die kognitiven Leistungen von Frauen und Männern unterscheiden (Arbuthnott & Frank, 2000; Herlitz et al., 1997; Mekarski et al., 1996). Die Erfassung von Lern- und Placeboeffekten erfolgte über die Implementation einer Kontroll- und Placebogruppe. Die Übungen auf der Vibrationsplatte gestalteten sich in der Kontroll- und Vibrationsgruppe identisch und, um eine Vergleichbarkeit zu erreichen, erfolgten sie in Anlehnung an die Studie zur Handkoordination. Bei der Vibrationsgruppe wurde eine Frequenz von 5 Hz eingestellt und für die Kontrollgruppe war das Gerät ausgeschaltet. Damit die Probanden die Einstellungen an der Vibrationsplatte nicht sehen konnten, war das Bedingungspanel von ihnen abgewendet. Die Placebogruppe erhielt eine vegetarische Leerkapsel. Zu Beginn der Untersuchung führten die Probanden wieder eine 5-minütige Aufwärmung auf einem Fahrradergometer aus. Direkt im Anschluss wurde die Gleichgewichtsmessung mit zwei unterschiedlichen Aufgaben im Einbeinstand und die Erfassung der Aufmerksamkeit durch drei Tests durchgeführt. Danach erfolgte wieder eine Aufwärmung sowie im Anschluss daran das Treatment. Hiernach fand die Post-Messung der Gleichgewichtsfähigkeit und der Aufmerksamkeit statt. Aus Reliabilitätsgründen sollen zwischen den Prä- und Post-Messungen der Aufmerksamkeit eine konstante Zeitspanne für alle Probanden liegen. Dies wurde durch eine zwischengeschaltete Aufgabe realisiert. Auch führten die Probanden in dieser Zeit einen Test zur Beschreibung ihrer Persönlichkeit und zum kognitiven Schätzen durch. In der Studie konnten keine positiven Effekte des ausgewählten Vibrationstreatments auf die Aufmerksamkeit und die Gleichgewichtsfähigkeit mit geschlossenen Augen beobachtet werden. Bei der Gleichgewichtsaufgabe mit geöffneten Augen auf einer Airex Matte zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit zwischen den beiden Messzeitpunkten. Der Erklärungsansatz und die daraus abgeleitete Hypothese, dass durch ein Vibrationstreatment die Aufmerksamkeit beeinflusst wird, konnte in dieser Studie nicht verifiziert werden. Dies könnte an den verwendeten Vibrationsparametern oder den verwendeten Aufmerksamkeitstests gelegen haben. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Verbesserung in der Handkoordination bei der Ausführung der Doppelaufgabe nach einer Vibrationsbelastung mit 5 Hz nicht allein durch eine Veränderung in den oberen Extremitäten entstanden ist, sondern auch Effekte auf die Gleichgewichtsregulation mit eingeflossen sind. Ob ein Vibrationsreiz mit 25 Hz zu einer Verbesserung der Gleichgewichtsregulation bei der Ausführung der Doppelaufgabe in der Untersuchung zur Handkoordination beigetragen hat, kann durch die zweite Studie nicht geklärt werden. Durch die vielen unterschiedlichen Vibrationsparameter und Reaktionen des menschlichen Körpers ist es schwierig, eine übergreifende Aussage bezüglich der Effekte auf den menschlichen Körper zu formulieren. Zur Klärung der unterschiedlichen Einflüsse einer Vibrationsbelastung auf den menschlichen Körper sind weitere Grundlagenstudien notwendig.