Mulders, Miriam:
Jenseits von Medienvergleichen: Komplexe Zusammenhänge des Lernens in Virtual Reality am Beispiel des Anne Frank VR House
Duisburg, Essen, 2022
2022DissertationOA Platin
ErziehungswissenschaftenFakultät für Bildungswissenschaften » Institut für Berufs- und Weiterbildung (IBW)
Titel in Deutsch:
Jenseits von Medienvergleichen: Komplexe Zusammenhänge des Lernens in Virtual Reality am Beispiel des Anne Frank VR House
Autor*in:
Mulders, Miriam
GND
1201909074
Akademische Betreuung:
Kerres, MichaelUDE
GND
111006325
LSF ID
2809
ORCID
0000-0002-7419-3023ORCID iD
Sonstiges
der Hochschule zugeordnete*r Autor*in
Erscheinungsort:
Duisburg, Essen
Erscheinungsjahr:
2022
Open Access?:
OA Platin
Umfang:
200 Seiten
DuEPublico 2 ID
Signatur der UB:
Notiz:
Dissertation, Universität Duisburg-Essen, 2022
Sprache des Textes:
Deutsch
Schlagwort, Thema:
Virtuelle Realität ; Virtuelle Realität ; Mediendidaktik ; Anne Frank ; Immersion ; Forschungsmethode

Abstract in Deutsch:

Hintergrund: Lernen in virtuellen Realitäten (VR) gewinnt zunehmend an Bedeutung. Dabei erscheint VR besonders für affektive Lehr- und Lernziele, wie die Perspektivenübernahme in Akteure der VR, förderlich zu sein. Bisherige Forschung legte oftmals den Fokus auf die Untersuchung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen, welche die direkten Effekte von unterschiedlichen VR-Visualisierungstechnologien auf Lernresultate behandeln. Wenig Forschung erfolgte bislang zu komplexeren Konstellationen von lernrelevanten Variablen. Daher hat die vorliegende Arbeit zum Ziel, ein Forschungsdesign herauszuarbeiten, mit dem sowohl direkte Effekte von VR-Visualisierungstechnologien und didaktischen Methoden als auch mediierende Effekte durch latente in VR stattfindende Lernprozessvariablen und moderierende Effekte durch Kontextvariablen untersucht werden können. Dazu wird das Forschungsdesign im Rahmen der vorliegenden Untersuchung experimentell erprobt, indem hinsichtlich der intendierten Lehr- und Lernziele Head-Mounted-Display (HMD)-basierte VR Laptop-basierter VR gegenübergestellt wird, gleichzeitig die didaktischen Methoden der Exposition und der Exploration verglichen sowie die Einflüsse durch zugrundeliegende Lernprozesse (z.B. Erleben von Präsenz und Flow, kognitive Belastung) und Kontextfaktoren (z.B. fachliches Vorwissen) kontrolliert werden. Dabei soll auch die Förderlichkeit von VR hinsichtlich kognitiver (z.B. deklaratives Wissen), affektiver (d.h. Perspektivenübernahme) und evaluativer (z.B. Tendenz zur Weiterempfehlung) Indikatoren geprüft werden. Methode: 132 Schülerinnen und Schüler der achten und neunten Klasse wurden rekrutiert. Die Probanden wurden den Experimentalbedingungen (HMD vs. Laptop und Exposition vs. Exploration) zugeordnet. Der VR-Inhalt behandelt die Erkundung des Verstecks von Anne Frank und sieben weiteren Untergetauchten zur Zeit des zweiten Weltkriegs in Amsterdam. Vor der VR-Erfahrung wurden die Probanden gebeten, ihren Wissensschatz sowie das Ausmaß an Perspektivenübernahme in Anne Frank einzuschätzen. Nach der VR-Erfahrung wurden in einem zweiten Fragebogen weitere Maße des Lernens auf affektiver und kognitiver Ebene, die subjektive Bewertung der VR, soziodemographische Daten, Lernprozessvariablen sowie relevante Kontextfaktoren erhoben. Die gesammelten Daten sind anhand ausgewählter inferenzstatistischer Verfahren (z.B. Mediationsanalysen) ausgewertet worden. Ergebnisse: Ein signifikanter Haupteffekt für die Variable VR-Visualisierungstechnologie konnte gemittelt über alle Lernindikatoren aufgedeckt werden. Eine Überlegenheit HMD-basierter VR fand sich jedoch lediglich für zwei evaluative Indikatoren, einen kognitiven Lernindikator und wenn auch nicht statistisch signifikant für einen affektiven Lernindikator. Auch der Haupteffekt für die Variable didaktische Methode war gemittelt über alle Lernindikatoren signifikant. Hinsichtlich zwei kognitiver Lernindikatoren waren die Leistungen in den Expositions-Bedingungen signifikant besser als in den Explorations-Bedingungen. Die Wechselwirkung der Variablen didaktische Methode und VR-Visualisierungstechnologie war nicht signifikant. Bedeutender als die unidirektionalen Zusammenhänge sind die Mediations- und Moderationseffekte. Moderationseffekte (z.B. durch fachliches Vorwissen) konnten nicht gefunden werden bzw. waren uneindeutig. Mediationseffekte durch Lernprozessvariablen hingegen wurden vielfach entdeckt. So kann das Erleben von Flow und Präsenz sowie kognitiver Belastung innerhalb der VR-Umgebung bedeutsam die Wirkzusammenhänge zwischen VR-Visualisierungstechnologie und Parametern des Lernens erklären, auch wenn auch hier größtenteils nur Effekte für evaluative Indikatoren ermittelt werden konnten. Schlussfolgerungen: Die vorliegende Arbeit konnte exemplarisch aufzeigen, dass die Untersuchung komplexer Interaktionsgefüge von VR-Visualisierungstechnologien, didaktischen Methoden, Lernprozessvariablen und Kontextfaktoren einen bedeutsamen Beitrag zum Verständnis von Lernen in VR-Umgebungen leisten kann. Vorteile HMD-basierter VR gegenüber Laptop-basierter VR hinsichtlich einiger Lernindikatoren wurden aufgedeckt. Es konnten jedoch nicht wie erwartet eindeutige Vorteile HMD-basierter VR für affektive Ziele ermittelt werden. Die signifikanten Befunde der Mediationsanalysen verweisen darauf, dass direkte Effekte von VR-Visualisierungstechnologien auf Parameter des Lernens bedeutsam durch diverse Lernprozessvariablen erklärt werden können und systematisch überschätzt werden, wenn solche Lernprozesse nicht berücksichtigt werden. Über die Ergebnisse der vorliegenden Einzelstudie hinaus, kann die Arbeit zur Erforschung der Bildungstechnologie VR beitragen, indem methodische und statistische Herangehens-weisen zur empirischen Untersuchung von Lernen in VR vorgeschlagen werden. Zukünftige Studien können das erarbeitete Forschungsdesigns adaptieren, so weitere Technologien, Didaktisierungen, Lernprozesse und Kontrollvariablen untersuchen und damit der Tradition klassischer Medienvergleichsstudien entgegenwirken.

Abstract in Englisch:

Theoretical background: Learning in virtual realities (VR) has become increasingly important. In this context, VR appears to be particularly conducive to affective teaching and learning goals, such as perspective-taking in VR actors. Previous research has often focused on investigating cause-effect relationships that focus on the direct effects of different VR visualization technologies on learning outcomes. Little research has been conducted on more complex constellations of learning-related variables. Therefore, the present study aims at elaborating a research design that can be used to investigate both the direct effects of VR visualization technologies and didactic methods as well as the mediating effects of learning process variables latent in VR and the moderating effects of contextual variables. For this purpose, the research design will be experimentally tested in the present research project by comparing head-mounted display (HMD)-based VR with laptop-based VR with respect to the intended teaching and learning goals, simultaneously comparing the didactic methods of exposure and exploration, and controlling for influences by underlying learning processes (e.g., presence, cognitive load) and contextual factors (e.g., prior knowledge). Moreover, VR's suitability to promote learning in terms of cognitive (e.g., declarative knowledge), affective (i.e., perspective-taking), and evaluative (e.g., tendency to recommend) indicators will be examined. Methods:132 students of grades eight and nine were recruited. The subjects were assigned to experimental conditions (HMD vs. laptop and exposure vs. exploration). The VR content dealt with the exploration of the hiding place of Anne Frank and seven other people at the time of World War II in Amsterdam. Before the VR experience, a questionnaire asked subjects to assess their knowledge as well as the extent of perspective-taking in Anne Frank. After the VR experience, a second questionnaire collected further measures of learning on affective and cognitive levels, subjective evaluation of VR, sociodemographic data, learning process variables, and relevant contextual factors. The collected data were analyzed using selected inferential statistical methods (e.g., mediation analyses). Results: A significant main effect for the variable VR visualization technology was uncovered averaged across all learning indicators. However, a superiority of HMD-based VR was found only for two evaluative indicators, one cognitive learning indicator, and also for one affective learning indicator, even if not statistically significant. The main effect for the variable didactic method was also significant averaged across all learning indicators. With respect to two cognitive learning indicators, performance was significantly better in the exposure conditions than in the exploration conditions. The interaction of the variables didactic method and VR visualization technology was not significant. More relevant than unidirectional relationships are the mediating and moderating effects. Moderating effects (e.g., prior knowledge) could not be found or were ambiguous. Mediating effects through learning process variables were discovered many times. Thus, the experience of flow and presence as well as cognitive load within the VR environment can significantly explain the cause-effect relationships between VR visualization technology and parameters of learning, even if again, for the most part, only effects for evaluative indicators could be determined. Conclusion: The present study was able to exemplify that the investigation of complex interaction structures of VR visualization technologies, didactic methods, learning process variables, and contextual factors can make a large contribution to the understanding of learning in VR environments. Advantages of HMD-based VR over laptop-based VR with respect to some learning indicators were uncovered. However, contrary to what had been expected, clear advantages of HMD-based VR for affective goals were not identified. The significant findings of the mediation analyses point to the fact that direct effects of VR visualization technologies on parameters of learning can be significantly explained by diverse learning process variables and are systematically overestimated if such learning processes are not taken into account. Beyond the results of this single study, the work can contribute to the exploration of VR as an educational technology by suggesting methodological and statistical approaches to empirically investigate learning in VR. Future studies can use the research design to investigate further technologies, didactic methods, learning processes, and contextual variables, thus counteracting the tradition of common media comparison studies.